1831 – 1912
XLI.
Du unerschöpfliches
Freudenmeer!
(St. Joh. Damasc.)
Der ew’gen Liebe flammend
heiße Gluten
Zu kühlen etwas auf der kalten
Erde,
Stieg einst das Wort
hernieder, sprach: „Es werde
Ein Meer, das mich erquick’ in
klaren Fluten!“
Und sieh’, mit tiefer
Herzenssehnsucht luden
Lichtmeere viel, wohl tausend
unversehrte,
Ja, wohl Milliarden lauterste,
liebwerte,
Den Herrscher zu sich ein, den
großen, guten. –
Doch alle waren Ihm zu seicht,
zu enge,
Zu leicht erschöpft und
düster. – Da erspähte
Er in dem weiten
Lichterflutgedränge
Ein unerschöpfbar tiefes Meer
von Wonnen;
An Helle übertraf es alle
Sonnen:
Und steh’, sein Herz taucht in
des klaren Glätte!
XLII.
Du treuer Anker in den
Stürmen!
(St. Ephrem.)
O du mein trauernd Herz! Wie
rütteln Wellen
Des düstern Sorgenmeers an
dir, dem bangen!
Ach, bis zum Borde schon die
Wogen drangen,
Dich in den nahen Strudel
wegzuschwellen!
Hier trüben Wolken dir den
Blick, den hellen;
Dort lauern Ungeheuer,
Abgrundschlangen;
Hier peitscht wie Sturmgetös
dich Ehrverlangen.
Und, ach, auf welchen freund
noch kannst du zählen? –
Nein, schaukelnd Schifflein du
der kranken Seele!
Noch blinkt ein Hoffnungsanker
dir im Sturme.
Verzage nicht! Laß ihn nur
tief dich gründen
Im grünen Ufer dort am
Pharusturme
Des ew’gen Lichts: und siehe,
du wirst finden
Die Heimat, jubeln dort aus
voller Kehle!
XLIII.
Du Tal des Segens
(St.
Bonavent.)
Von Tälern hören wir in
tausend Weisen
Thessaliens Tempe dort, und
dort am Jarden
Jericho’s Palmengrund und
Balsamgarten
Sammt Eskol’s Rebgeländen
allwärts preisen.
Indes gestehen dir es alle
Weisen,
Die je im Herzen Himmelsblüten
wahrten:
Das Engel gern sich nur in
Täler scharten,
Wo Tugendsprossen süße Frucht
aufweisen. –
Doch kann ich dir – ich muß es
frei bekennen –
Im ganzen All kein zweites Tal
mehr nennen,
Wo so viel wunderholde
Blümchen sprießen,
So gold’ne Früchte reifen, wie
im süßen,
Im reichen Segenstal, woselbst
die Liebe
Den Lebensbaum gepflanzt voll
edler Triebe.
XLIV.
Du Garten süßduftender
Tugenden!
(St. Hieronym.)
Freund! glaubst du nicht, daß
Engel, schwebensmüde,
Nicht gerne auch in Wonnegärten
schweifen,
Wo Edensblumen blüh’n
Lichtfrüchte reifen?
Wo frischer Dufthauch spornt
zu neuem Liede?
Wo sie in glaubensseligem
Gemüte
Oft gerne gar nach reifen
Früchten greifen,
Zumal wenn die so überreich
sich häufen,
Daß Frucht an Frucht sich
preßt, und Blüt’ an Blüte? –
Du gibst es zu. – Doch kennst
du auch den holden,
Den reichen Zaubergarten, wo
so golden
Die Frucht gereift, Zephyre
Duft verwehten
Von Tugenden so selt’ner Art
und Gattung,
Wie nichts zu kosten war im
alten Eden? - :
Er ist’s, der fruchtbar ward
durch Gottbeschattung!
XLV
Du Baum des Lebens!
(St. Joh. Damasc.)
Drei Lebensbäume sproßten aus
dem Boden
Der einst so schönen, nun so
öden Erde:
Im Paradies der erste. Doch –
nicht währte
Sein Grünen lang, weil jenem,
der verboten,
Das Weib gelüstend nahte. –
Ach, den toten
Erlöserleib trug dann der
laubentleerte,
Furchtbare dritte! Er
gleichwohl bescherte
Heil, Schutz und Rettung uns
vor Feindesrotten. –
„Allein wo bleibt indes der
einz’ge zweite?“
So hör’ ich fragen dich,
betroff’ne Seele! - :
Er ist’s, der niemals
aufgehört zu sprossen;
Er ist’s, den Gnadentau so
übergossen,
Daß er nicht nachließ
fortzublüh’n bis heute,
Daß frei blieb seine Frucht
von jedem Fehle.
XLVI
Du blühender Stab Aarons!
(St. Andreas Cret.)
Zwölf Stäbe seh’ ich sich,
geordnet, reihen
Um den des Aaron dort im
Gotteszelte,
Auf daß kein Murren mehr die
Heil’gen schelte,
Die gar des Mordes frech sich
hören zeihen.
Doch keine Blüten seh’ ich
Schmuck dort leihen
Den grauen zwölfen. Wie dem
Wüstenfelde
Entsproßt, dorrt jeder steif;
und wenig fehlte:
Man hielt’ für Blei sie in den
starren Reihen. –
Nur einen schau’ ich zarte
Knospen treiben
Und süße Frucht aus rosiger
Mandelblüte.
Ach, wie erquickt die süße
mein Gemüte!
Und seht, wie sonderbar! die
Blüten bleiben:
Mag auch die Lebensfrucht
schon lange reifen!
Wer wagt es, dieses Wunder zu
begreifen?! -
XLVII
Du Narde des süßesten
Wohlgeruches!
(St. Bernhard.)
Mit Wasser blos die Füße Ihm
zu netzen
Genügte nicht Mariens frommem
Sinne.
Zu sehr erglüht ihr Herz in
heil’ger Minne,
Ihr Herz, gefangen in der
Weisheit Netzen.
Am Nardenbade will sie sich
ergetzen;
Den Duft verstreu’n zu
himmlischem Gewinne.
Er steigt hinan bis zu des
Hauses Zinne:
Mag Neid und Habgier auch die
Krallen wetzen.
Vorüber ist das Mahl, der Duft
entschwunden. –
Doch kenn’ ich eine and’re
Nardenspende,
Die uns zu ew’ger Liebe sich
verbunden.
Ihr süßer Hauch weht bis zum
Weltenende,
Verduftet nie, macht jedes
Herz gefunden,
Das aufwärts schlägt zu ihr in’s
Sterngelände.
IIL
Du Rose ohne Dornen!
(St.
Gertrud.)
Seit Adams Fall ist eins der
schlimmsten Lose
Des armen Erdenpilgers, daß
ihm nimmer
In diesem Todestal voll Schmerzgewimmer,
Hier aus der Muitter-Erde dunklem
Schoße
Von Dornen frei erblühet eine
Rose.
Und was da grünt, erborgt sich
eitlen Schimmer;
Und was da blüht, vergeht wie
leichter Flimmer,
Sinkt hin, wie fallend Laub im
Windgekose. –
Nur Eine nennt sich Rose ohne
Dornen,
Die keinen Fuß dir, keinen
Finger letzet.
Und däucht sie dir auch die
unbewehrte:
So preis’ ich dennoch sie die
unversehrte,
Die so mit Himmelstau mein
Herze netzet,
Daß trunken es aufjauchzet zur
Erkornen.
IL
Du reinster Stern !
(St. Bonavent.)
Das Licht zog aus in weite,
ferne Zonen,
Zu küren sich im Äther eine
Stätte,
Die nie ein fremder Strahl
beschienen hätte;
Denn Er, das Licht selbst,
wollte dort nur thronen.
Und seht, es schwanden Reihen
von Äonen,
Bis im Gefilde Dessen, Der sie
säte,
Die Weltensaat, von reinster
Silberglätte
Ein Stern sich fand, des
Suchens Müh’ zu lohnen. –
Und als das Licht ihn traf,
ihn ganz durchstrahlte,
Den Thron dort aufschlug, ach,
so zaubrisch helle!
Und treu sein Bild in dessen
Goldgrund malte:
Wie ward der Stern nun selbst
zur Glanzesquelle,
Daß tausend and’re Welten er
bestrahlte,
Allwärts entsendend seines
Lichtstroms Welle! -
L
Du Leiter der Menschen zu Gott !
(St. Augustin.)
Zu hohem Ruhme stieg manch
edler Streiter,
Dem steile Zinnen fast den Mut
benommen,
Hinan noch, wenn den letzten
Wall erklommen
Sein kühner Mut auf
raschergriff’ner Leiter.
Auf and’rer Leiter stiegen
froh und heiter
Die Engel ab und auf ob jenem
Frommen,
Den in der Fremde sie in
Schutz genommen,
Sie, aller gottbeschützten
Wegbereiter. –
Wer aber nennet mir die
himmelhohe,
Die wunderbare Leiter, drauf
der Helden
Erhabenster, der Engelkönig,
nieder
Zur Erde, auf zum Kreuz klomm?
– Preis der Welten
Und Gnadenleiter heißt die
heilesfrohe,
Die heim zum Vater führt
verirrte Brüder. -